CHRISTOPHER PAUDISS (um 1630 - 1666)
"Die Marter des hl. Thiemo"
Öl auf Leinwand, 336 x 191 cm, signiert und datiert: "Criststoffher Paudiß 1662"
Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 2284

Christopher Paudiß wurde in Hamburg geboren, um 1645 kam er nach Amsterdam in die Werkstatt von Rembrandt, die er 1649 verließ. Aus diesem Jahr stammen seine ersten, selbständig signierten Bilder. In der Folge war Paudiß als Wanderkünstler an verschiedenen europäischen Fürstenhöfen tätig, ohne sich länger an einem Ort aufzuhalten. Nach ersten Jahren der Tätigkeit in Ungarn finden wir ihn 1656 bis 58 am Stuttgarter Hof, 1659 bis 60 im Dienst von Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen in Dresden, schließlich 1660 bis 62 in Wien, von Erzherzog Leopold Wilhelm, dem großen Kunstsammler und ehemaligen Statthalter der Niederlande mit Aufträgen versehen. Der oftmalige Wechsel mag rein materielle Gründe im Wunsch, seine Lebens- und Auftragssituation zu verbessern haben, er kann aber auch in einer inneren Unrast des Künstlers begründet sein, einer Schwierigkeit, mit seinen Auftraggebern und dem Leben bei Hof zurecht zu kommen und der dort herrschenden verfeinerten, von Äußerlichkeiten der Etikette und persönlichen Eitelkeiten geprägten Atmosphäre. Ein warnender Brief, den der sächsische Oberhofmarschall 1660 dem Künstler nach Wien vorausschickte, und in dem er der Undankbarkeit bezichtigt wird, könnte so gedeutet werden: "er hat durch mich, welches er nicht würdig gewesen, viel genossen, aber an mir nicht gehandelt, daß ihm rühmlich". Von Wien dürfte der Künstler nach Salzburg in den Dienst von Erzbischof Guidobald Thun getreten sein, von 1662 bis zu seinem Tod 1666 war er im Dienst von Fürstbischof Albrecht Sigismund von Bayern in Freising tätig, wo er offenbar zum ersten Mal in seinem Leben die ersehnte künstlerische Anerkennung fand.

Für den Aufenthalt in Salzburg fehlen alle dokumentarischen Hinweise, die Annahme basiert allein auf dem vorliegenden großen Altarbild, das am Anfang des 19. Jahrhundert aus der ehemaligen fürsterzbischöflichen Kunstsammlung in Salzburg unter der korrekten Bezeichnung "Marter des hl. Thiemo" in die kaiserliche Galerie und in der Folge ins Kunsthistorische Museum gelangte. Lange Zeit wurde das Bild für eine Darstellung des (sehr ähnlichen) Martyriums des hl. Erasmus gehalten, wie aus einigen Details hervorgeht, handelt es sich jedoch um das Martyrium des hl. Thiemo. Um 1040 aus bayerischem Adel geboren, wurde Thiemo 1077 Abt von St. Peter und 1090 Erzbischof von Salzburg. Im Investiturstreit unterlag er dem von Kaiser Heinrich IV. eingesetzten Gegenbischof, schloß sich nach Kerkerhaft und Flucht dem Heer des ersten Kreuzzugs an und war 1101/2 im Heiligen Land in sarazenischer Gefangenschaft verschollen. Sogleich bildete sich die Legende seines Martyriums, dennoch blieb der Heilige weitgehend unbekannt, sein Kult auf Salzburg und die Benediktinerklöster der Salzburger Diözese beschränt. Die Salzburger Herkunft des Bildes, das dargestellte Thema so wie das ungewöhnlich hohe und schmale Format ließen vermuten, daß es sich ursprünglich um ein Seitenaltarbild für den Salzburger Dom gehandelt haben könnte. Erzbischof Guidobald Thun beauftragte die führenden mitteleuropäischen Maler der Zeit, Joachim Sandrart, Johann Heinrich Schönfeld und Karel Škréta mit den Altarbildern für die allerdings erst 1669 fertiggestellten Seitenaltäre. So gelangte das Bild zunächst in die Galerie Erzbischof Guidobalds, wo es 1717 erstmals aufscheint. Welche Gründe, vielleicht die für den barocken gegenreformatorischen Geschmack ungewöhnliche Darstellung eines Heiligenmartyriums, die Anbringung als Altarbild verhinderten, wissen wird nicht.

Die stilistische Eigenheit von Paudiß, sowohl in formaler und koloristischer Hinsicht, wie auch in der eigenwilligen Auffassung des Gegenstands, läßt sich aus dem Bild leicht ablesen. Paudiß ist vor allem Kolorist, der mit Farben in zarten Abstufungen, eingehüllt in einen grauen Nebelschleier und atmosphärischen Lichtbrechungen gestaltet. Es ist keine übliche Martyriumsdarstellung, kein heroischer Kampf; der Heilige ist bereits tot, ein lang am Boden ausgestreckter Leichnam mit gräßlichen Details der grausamen Marter, feucht glänzenden Blutstropfen am Boden, dem schillernden Gedärm auf der großen Winde. Der Sinn erschließt sich nur, wenn die Geschichte bereits bekannt ist. Die Verbindung genauen Naturstudiums mit erlesenen malerischen und farbigen Details läßt alle Schwächen des Bildes im Kompositorischen und in der Fähigkeit, die Legende sinnfällig ins Bild zu setzen, vergessen.

Karl Schütz