Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (Venedig 1721 - 1780 Warschau)
"Das kaiserliche Lustschloß Schönbrunn, Gartenseite" (Wien, 1758/61)
Leinwand, 134 x 238 cm, Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Inv. Nr. 1669

Die venezianische Vedutenmalerei des 18. Jahrhunderts ist eine für den Ort und die Zeit ihrer Entstehung spezifische Erscheinung, die nur dort und damals entstehen konnte. Die zahlreichen fremden Besucher Venedigs halfen ihr, immer größere Bedeutung zu gewinnen, indem sie mit einer charakteristischen Ansicht der in ihrer Art einmaligen Stadt ein gemaltes Andenken mit in ihre Heimat nahmen. Seit den zwanziger Jahren bis weit über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus erreicht sie in den mit strahlenden Farben gemalten Bildern Antonio Canals einen Höhepunkt ihrer Bedeutung.

Ab 1740 begann Bernardo Bellotto, ein Sohn der Schwester Antonio Canals, in der Werkstatt seines Onkels zu arbeiten, von dem er nicht nur die Technik der Vedutenmalerei, sondern auch den Beinamen Canaletto als eine Art Markennamen übernahm. Bellotto verließ früh seine venezianische Heimat, und trug die Kunstgattung der Stadtansicht in den Norden. Schon seine italienischen Werke zeigen eine kühlere und schwere Farbigkeit mit tiefen Grün- und Brauntönen, die sich an den Schauplätzen seiner mitteleuropäischen Tätigkeit noch verstärkte und seinen persönlichen Stil formte.

1747 folgte Bellotto einer Einladung Kurfürst Friedrich Augusts II. von Sachsen (als König von Polen August III.) nach Dresden und verließ damit Italien für Bellotto hielt die barocken Neubauten, wie sie sich vor allem am Ufer der Elbe erstreckten, in einer Reihe von Stadtansichten fest.

Nach dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges flüchtete Bellotto 1758 nach Wien, wo er sich mindestens zwei Jahre bis 1761 aufhielt.In dieser Zeit entstanden mehr als 16 Bilder, eine Serie von Ansichten von Plätzen der Wiener Innenstadt und eine zweite Serie mit Darstellungen von Schlössern aus der Umgebung Wiens, bei denen vor allem die Wiedergabe der Gartenanlagen einen wichtigen Platz einnehmen. Auch wenn dokumentarische Belege dafür fehlen, ist anzunehmen, daß Bellotto diese Bilder im Auftrag Kaiserin Maria Theresias anfertigte.

Die verblüffende topographische Exaktheit und kühne perspektivische Konstruktion erzielte Bellotto durch die Verwendung der camera obscura als technisches Hilfsmittel. Die dabei gewonnenen Vorzeichnungen wurden vom Maler in den Gemälden zu einem kunstvoll veränderten und bewußt komponierten Bild gestaltet. Dabei nahm Bellotto zugunsten der bildwirksamen Geschlossenheit und dramatischen Steigerung des Bildaufbaus bewußt Veränderungen der Wirklichkeit vor. Besonderen Reiz erhalten die Bilder durch effektvoll in Szene gesetzten Beleuchtungssituationen mit schräg einfallendem scharfen Licht, das einmal lange Schlagschatten wirft und freie Plätze in farbig wechselnde helle und dunkle Farbzonen gliedert, zum anderen die Plastizität von Hausfassaden hart hervortreten läßt. Dabei erscheinen die Bilder nie leblos, sondern sind geben durch Staffagefiguren und Straßenszenen einen lebendigen Eindruck vom Aussehen Wiens zur Zeit Maria Theresias.

Bellotto hat zwei Ansichten von Schloß Schönbrunn, der bevorzugten Sommerresidenz der Kaiserin , gemalt, einmal von der Ehrenhofseite aus, einmal von der Gartenseite. Die Ansicht auf das Schloß ist hier so gewählt, daß die einfache Silhouette des nördlich von Schönbrunn gelegenen Höhenrückens gerade über den Dächern erscheint, wodurch die klaren Linien der Komposition stärker betont werden. Bellotto konzipierte das Bild vom Hang des Schönbrunner Berges unterhalb der Gloriette aus. Das Bild zeigt das Schloß nach den Umbauten, die Maria Theresia 1744-49 durch Nicolaus Pacassi vornehmen ließ, wobei ein Zwischengeschoß oberhalb des Hauptgeschosses einschoben wurde. Von der ursprünglichen, von Jean Trehet 1699 vollendeten Gartenanlage sind nur mehr die beiden Streifen mit den dekorativ geformten Rasenflächen zu sehen. Jedoch erscheint der Garten noch vor der Neugestaltung durch die Gartenarchitekten Steckhoven und Hohenberg, die seit 1765 durchgeführt wurde und im wesentlichen bis heute seine Form bestimmt.

Karl Schütz